...weitere Leseprobe zum Thema Mobbing
 
Auler hatte schon öfter bedauert, Strohmeier seine Ansicht so freimütig mitgeteilt zu haben. Er gehörte nicht zu der Spezies Chef, die sich nach oben ducken und nach unten treten. Er vertraute immer noch auf seine frühere Studentenfreundschaft mit Strohmeier, die ihm, zumindest am Anfang, einige Privilegien einräumte. Er bemerkte, daß er zu manchen Besprechungen nicht mehr hinzugezogen wurde; sein Rat war offenbar bei der Geschäftsleitung nicht mehr erwünscht. Immer mehr schien sein Einfluß in der Firma zu schwinden und er wurde sich bewußt, daß sich niemand fand, der ihn im Notfall unterstützen würde.
Als Auler nach einem Auslandsaufenthalt seine Spesenabrechnung vorlegte, wurden peinliche Fragen über seine Ausgaben gestellt.
»Und hier der Barbesuch. Die Rechnung ist schon sehr hoch! Welche Leistungen waren denn darin enthalten? Wenn man weit weg von zu Hause ist, will man sich wohl etwas amüsieren?«
Auler hätte am liebsten seinem Gegenüber eine Ohrfeige verpaßt.
Trocken erwiderte er.
»Sollte ich vielleicht die Kunden von SES Interstahl in eine Imbissbude einladen?«
Der Buchhalter ließ sich nicht beeindrucken. Die Angaben seien oft zu allgemein. Als Auler erstaunt äußerte, er hätte die Abrechnungen jahrelang in dieser Form praktiziert, wurde geantwortet, das sei ab jetzt nicht mehr hinnehmbar.

Die Schikanen gegenüber Auler und seinen Mitarbeitern häuften sich. So gelangte die tägliche Post nicht mehr pünktlich in seine Abteilung. Versuchte er der Sache nachzugehen, führten seine Ermittlungen selten zu einem befriedigenden Ergebnis. Entweder ging die Post irrtümlicherweise in eine andere Abteilung oder sie blieb irgendwo auf dem Weg zur Abteilung liegen. Da nicht mehr wie früher nur eine Person für die Austeilung der Post zuständig war, wußte man oft nicht, wer für die Schlamperei verantwortlich gemacht werden konnte.
Die Mitarbeiter von Auler erfuhren eines Tages, was es bedeutete, vom Kommunikationsnetz abgekoppelt zu sein. Thomé wartete auf einen wichtigen Anruf eines Kollegen einer anderen Abteilung. Als es ihm zu bunt wurde, suchte er den Kollegen auf. Dieser wehrte sich vehement gegen die Vorwürfe Thomés.
»Ich versuche schon seit einer Stunde dich anzurufen. Immer ist bei euch besetzt. Ihr scheint alle nur rumzuquatschen.«
Jetzt erst wurde Thomé bewußt, daß den ganzen Morgen kein einziges Telefon in seiner Abteilung geläutet hatte. Wahrscheinlich war die Anlage mal wieder defekt.
 

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